Der große Plattenquergang der drittletzten Seillänge der „Direkten Nordwand“ erscheint bei den aktuellen Verhältnissen nicht machbar zu sein. Zu wenig und zu schwacher Schnee hier oben. Also entscheiden wir uns für eine andere Variante: von unten direkt in die große Platte hinein. Mir ist kalt, als ich in die nächste Seillänge einsteige. Die ersten Meter entlang eines kleinen Pfeilers gehen noch gut und lassen sich auch vernünftig absichern. Ich steige weiter nach links, auf der Suche nach kletterbaren Strukturen. Die Kletterei in der Platte wird immer haariger. Der Fels hat hier oben quasi keine Reibung mehr, gründlich geglättet durch was auch immer. Immerhin bringe ich noch einen Keil unter, und weiter oben einen halbwegs soliden Pecker, aber keine Ahnung, ob er einen Sturz halten würde. Ich clippe die Bandleiter in den Pecker, steige hoch bis in die oberste Stufe, suche die Felsoberfläche ab, kühle immer weiter aus. Mithilfe eines Hooks, den ich an einer Felsleiste ansetze, schaffe ich noch ein Stück. Nun würde es nur noch in freier Kletterei weitergehen. Sechs, sieben Meter über mir ein feiner Riss, doch ich sehe keine Chance, ihn zu erreichen. Eine Mischung aus Vernunft und Verzweiflung lässt mich unsere Zielsetzung über Bord werfen und nach der offensichtlichen Lösung greifen: Ich bohre ein kleines Loch, legen einen Hook hinein, steige an der Trittleiter hoch, richte mich auf einer Leiste auf und setzte einen Bohrhaken. Klar, wir haben an den Standplätzen oft genug gebohrt, doch diese beiden Bohrlöcher ändern alles. Zunächst einmal komme ich weiter, erreiche den feinen Riss, das darüberliegende Schneefeld, den großen Plattenquergang der „Direkten Nordwand“, das alles ohne das Risiko eines tödlichen Vorstiegssturzes. Unerreichbar hingegen ist jetzt unser Ziel, diese Route gänzlich ohne gebohrte Zwischensicherungen zu schaffen.